Riskanter Spaß

Vor langer Zeit war es Bestandteil des abendlichen Rituals, dass Saskia nach dem Sandmännchen etwas von „Holen!“ grummelte, mir im Wohnzimmer davon krabbelte, ich sie fing, die Treppe hoch geleitete, sie dort wieder entwischte, ich ihr hinterher ging und sie unter möglichst viel Empörung in die richtige Richtung (Schlafzimmer) drehte, sie dorthin und dann hinter das Bett krabbelte, ich sie auch dort erwischte („ausse nun!“ – unbedingt musste ich dabei über das Bett steigen, statt den direkten Weg zu wählen, wobei dieser Weg über das Bett für Saskia als „außen rum“ zählte), wieder in Richtung Bad (das vom Schlafzimmer abgeht, es ist das „Elternbad“) drehte, sie auf dem Weg dahin noch zwei- oder dreimal die Richtung zu wechseln versuchte, ich sie immer wieder auf den rechten Pfad zurück brachte, sie kurz vor dem Bad etwas von „Bade…wanne!“ sagte, ich sie in die Badewanne setzte, nur um sofort empört zu fragen, was sie in meiner Badewanne mache – und während all dessen amüsierte sich Saskia prächtig.

Das Ganze geriet irgendwann ein wenig aus der Mode, weil Saskia nicht mehr krabbeln konnte oder wollte. Seit einer Weile jedoch versucht sie, an dieses Ritual anzuknüpfen.

Gestern (und auch schon das eine oder andere Mal vorher) torkelte (falls das in diesem Zusammenhang das richtige Wort ist) dabei so sehr, dass sie auf die Nase fiel. Naja, nicht auf die Nase – auf die Wange. Mit dem Spaß war es unmittelbar vorbei, ich war eine Weile mit Trösten beschäftigt, und das Ritual war für diesen Abend auch gestorben.

Außerdem sind da natürlich noch die Wachanfälle letzte Woche und gestern, die wir noch nicht einordnen können, und von denen wir also auch nicht wissen, wann sie sich wiederholen. Vielleicht exakt bei diesem abendlichen Krabbeln („Am Nachmittag oder Abend, wenn sie müde ist“ scheint eine gemeinsame Eigenschaft der drei Anfälle zu sein.)?

Und nun überlege ich hin und her, wie ich das mache am Abend. Das Mindeste ist wohl, dass ich den Helm mit zum Sandmann-Schauen nehme (den hat sie zu diesem Zeitpunkt nicht auf, da wir direkt von Abendessen kommen). Dann kann ich ihr den wenigstens sofort aufsetzen. Und das dann verbleibende Restrisiko muss ich wohl in Kauf nehmen, so schwer es auch fällt. Ich bin zwar stark versucht, das Ritual komplett zu streichen – aber das wäre nicht fair. Ich kann Saskia nicht immer und überall vor allem bewahren, ich kann nur versuchen, die Folgen ihres Ungeschicks und ihrer Anfälle zu lindern. Ein Restrisiko bleibt, und lieber ein Ritual mit Freude und Risiko, als kein Ritual, kein Risiko, und keine Freude.

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